04.12.2023

Längere Lebenserwartung von Gebäuden dank digitaler Fabrikation

Matthias Brenner, Doktorand am Lehrstuhl für Konstruktionserbe und Denkmalpflege, fertigt mittels digitaler Fabrikation individuelle Ersatzteile für eine komplexe Fassade bestehend aus massgeschneiderten Metallelementen. Sein Ziel ist es, deren Nutzungsdauer zu verlängern. Innovative Technologien, wie digitale Fabrikation, Robotik und 3D-Druck wurde im Bausektor bisher vorranging im Neubau, zur Realisierung neuer Formen angewandt. Ihre Anwendung für das Bauen im Bestand, die Instandhaltung und Reparatur von bereits bestehenden Gebäuden, wurde bisher kaum beleuchtet. Dies könnte jedoch enorm zur Verlängerung der Nutzungsdauer der Objekte beitragen.

Matthias Brenner untersucht das Potential von digitaler Fabrikation für die Reparatur von High-Tech Architektur der 1980er Jahren. Doch gerade diese Bauten, die in den 80er-Jahren spektakulär mit innovativen Baumaterialien wie Kunststoff oder Aluminium gebaut wurde, stellen uns bezüglich Alterung vor neuartige Herausforderungen. Ein grosser Teil der in dieser Zeit errichteten Gebäude bzw. Fassaden ist heute reparaturbedürftig. Der Umgang mit diesen neuen Materialien und Konstruktionen unterscheidet sich von den Alterungsprozessen konventioneller Konstruktionen. Das Universitätsgebäude «CLA» der ETH bietet sich wegen seiner komplexen und ausdrucksstarken Fassadenkonstruktion als erste Fallstudie an.

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Das CLA-Gebäude an der Clausiusstrasse in Zürich dient als erstes Fallbeispiel. Bild: Matthias Brenner

Gezielte Reproduktion von Ersatzteilen

Das CLA-Gebäude an der Clausiusstrasse in Zürich wurde nach zwei Bauetappen 1998 fertiggestellt. Die vielgliedrig und offene Technikfassade ist ein besonderer Blickfang und dient zeitgleich als Sonnenschutzelement. Die Konstruktion besteht aus massgeschneiderten Sonderbauteilen, die exklusiv für diese Fassade hergestellt wurden. Sollte eines der massgeschneiderten Bauteile einen Schaden aufweisen, würde sich die Reparatur beziehungsweise der gezielte Ersatz als schwierig erweisen – herkömmliche Ersatzteile sind nicht passend und individuelle Bauteile von damals nicht mehr verfügbar. Zudem sind detaillierte Konstruktionspläne nicht mehr vorhanden, was die Herstellung von Ersatzteilen sehr schwierig macht. Eine gezielte Re­produktion einzelner schadhafter Elemente ermöglicht es den Austausch und Ersatz des gesamten Fassadensystems zu verhindern.

Im Geist der High-Tech Architektur: digitale Fabrikation

Um dem Spirit der High-Tech Architektur auch bei der Instandhaltung der Fassade treuzubleiben, wird eine Reparatur mithilfe einer neuesten Herstellungstechnik getestet: Mittels digitaler Fabrikation können so einzelne Teile einer Fassade gezielt nachgebaut und die defekten Teile im Fassadensystem ersetzen. Im Fall des CLA-Gebäudes wurde aufgrund der fehlenden Unterlagen und Pläne «rückwärts nachkonstruiert». Mit Hilfe von Photogrammetrie wurde ein digitales 3D-Modell berechnet und mittels einer Punktwolke neu aufgebaut. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Markus Bambach (ETH Zürich) wurde die neue Fertigungstechnologie Wire-and-Arc Additive Manufacturing (WAAM) für den 3D-Druck des Spezialteils eingesetzt. Bei dieser Technologie wird das Material nur dort aufgetragen, wo es tatsächlich benötigt wird. Dieses ressourceneffiziente und nachhaltige Verfahren ist daher sehr vielversprechend, um die Nutzungsdauer von Gebäuden und deren Fassaden mit Hilfe von digitaler Fabrikation zu verlängern.


Der Lehrstuhl für Konstruktionserbe und Denkmalpflege (Prof. Dr. Silke Langenberg) widmet sich dem verantwortungsvollen Umgang mit historischen Gebäuden. Das spielt besonders bei der Reparatur und Instandhaltung eine zentrale Rolle. Mitunter solche Ansätze werden im neuen CAS ETH ReMain (Repair and Maintenance) behandelt.